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Südwestpresse
Montag, 30. Juni 2003

VFRANSTALTUNGSREIHE / Nur wenige Zuhörer bei Prof. Gallwitz
Wenn Eltern Egoisten sind


"Niemand ist gewalttätiger als die narzisstische Mutter oder der narzisstische Vater"

VILLINGEN-SCHWENNINGEN

Abends in der angenehm kühl klimatisierten Neuen Tonhalle in Villingen: der 1.Vorsitzende des Vereins Brennpunkt-Theater, Michael Heidinger, ärgert sich: "Wo sind denn all die Pädagogen geblieben...?" Und in der Tat, die Klage hat ihren Grund. Die wenigen Zuhörer, die gekommen sind, verlieren sich in dem weitläufigen Zuschauerraum.

Dabei ist der Redner, der Polizeipsychologe Professor Gallwitz von der FH unserer Stadt, in der gesamten Bundesrepublik bekannt, nicht zuletzt durch seine Fernsehsendung "Fahndungsakte" auf Sat 1 und durch seine Mitwirkung als Psychotherapeut nach vielen spektakulären Unglücken und Verbrechen: etwa dem Unglück in Eschede, dem Amoklauf in Erfurt oder dem Attentat auf der tunesischen Ferieninsel Djerba.

Professor A. Gallwitz sprach auf Einladung des Brennpunkt-Theaters: ziemlich ernst und sehr klar und anschaulich. Herzlichen Beifall gab es für seine Ausführungen. Aber eben auch keine Fragen mehr. Dabei war sein Thema, nämlich ob "unsere Kinder noch die Voraussetzungen für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung haben", doch ein richtiges Brennpunktthema, das mitten in unsere Zeit hineinfällt.

Professor Gallwitz illustrierte dazu einerseits die Situation, sozusagen den Befund, wie er jedem wachen Zeitgenossen in die buchstäblichen Augen springt; andererseits skizzierte er eine Diagnose, also den Versuch, die Warum-Frage zu beantworten.

Der Befund besteht darin, dass viele Kinder in Villingen-Schwenningen und anderswo unausgeschlafen, ohne rechtzeitig geweckt worden zu sein und ohne Frühstücksbrot in die Schule kommen. Im tiefsten Winter erscheinen sie mit bauchfreien T-Shirt, im Sommer kommen sie mit Stiefeln daher. Den Schulalltag können sie kaum bewältigen; sie sind oft hungrig, müde, unvorbereitet, unkonzentriert. Sich sprachlich zu verständigen und zu lesen, fällt ihnen äußerst schwer; viele haben Haltungsschäden. Professor Gahlwitz sagt pointiert: "Wer nicht spricht, bleibt dumm. Sprechen lernt man früh oder gar nicht!" Er fügt hinzu: "Erwachsene gehen ins Fitness-Studio, aber sie bewegen ihre Kinder nicht; sie geben mühsam das Rauchen auf, aber sie erlauben ihren zwölfjährigen Kindern den Glimmstängel." Hinzu kommt die ebenso lapidare wie alarmierende Feststellung: "Heute haben mehr Kinder ihre Eltern durch Scheidung verloren, als während des Zweiten Weltkrieges."

Wie kann man diese Situation erklären, die ja darin besteht, dass sich immer mehr Eltern in allen Fragen der Erziehung heillos überfordert fühlen? Heutige Eltern, so Professor Gallwitz, leiden unter einer "narzisstischen Störung", die sie zu Egoisten macht, die ihrerseits unfähig sind, ihr Leben mit dem ihrer Kinder zu teilen - und zwar so, dass den Kindern auch klare Grenzen gesetzt werden. Zugespitzt heißt das: "Niemand ist gewalttätiger als die narzisstische Mutter oder der narzisstische Vater, die vom Kind die Erlösung eigener Leiden erwartet." Die Ausgangsfrage, ob "unsere Kinder noch die Voraussetzungen für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung haben", beantwortet der Experte also mit einem tendenziell zunehmenden "Nein".

Um dieser verheerenden Situation zu begegnen, appellierte er auch an das biblische Gebot der Nächstenliebe, an mehr Gelassenheit, Zivilcourage und an den Mut, zu seinen eigenen Wahrnehmungen zu stehen, ohne sich von einer "Grandiositätsphantasie" leiten zu lassen.

(ask)

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