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Badische Zeitung
Montag, 08. Dezember 2003

Ein Vater ist viel zerbrechlicher?

Das Sorge- und Umgangsrecht, seit fünf Jahren in Kraft, hat einseitig die Rechte der Väter gestärkt / von Heide Pasquay

Vor fünf Jahren trat das Kindschaftsreformgesetz, eine Neuregelung unter anderem auch des Sorge- und Umgangsrechtes, in Kraft. Zeit für eine erste Bilanz - Zeit auch, den Müttern Gehör zu verschaffen, nachdem in den letzten Jahren fast ausschließlich und zum Teil militante Vätergruppen und Experten zu vernehmen waren, die Väterrechte propagieren.

Erklärtes Ziel der Reform war es, die Rechte des Kindes zu stärken. Tatsächlich gestärkt wurden die Rechte der Väter. Das neue Kindschaftsrecht spricht in Paragraf 1684, Absatz 1 nicht mehr von Vater und Mutter, sondern von "Elternteil".

Es suggeriert damit, dass Vater und Mutter nur Teil eines notwendigen Ganzen sind. Die geschlechtsneutrale Formulierung verführt dazu, von einer Verpflichtungs- und Berechtigungsgleichheit von Vater und Mutter im Zusammenleben mit Kindern auszugehen. Sie tut, als ob es nicht noch immer gesellschaftliche Rollenzuschreibungen gäbe.

Wissenschaftlich nicht überprüfte Glaubenssätze umranken das Gesetz

Auch wenn uns neuerdings im Zeichen der neuen Väterbewegung zahlreiche Berichte in Illustrierten und Zeitschriften glauben machen wollen. die neuen Väter hätten die Ein-Prozent-Marke bei weitem überschritten, sieht die Realität sehr anders aus. Väter entziehen sich immer noch weitgehend der Familienarbeit und überlassen den Müttern die Betreuung der Kinder Tag für Tag und rund um die Uhr.

Ebenso wichtig wie der Gesetzestext sind die ungeschriebenen und wissenschaftlich nicht überprüften Glaubenssätze, die das Gesetz umranken und immer wieder gerne zur Auslegung des Begriffes Kindeswohl herangezogen werden, als da sind: Das Kind braucht für seine gesunde seelische Entwicklung seinen (biologischen) Vater - ein schlechter Vater ist besser als gar kein Vater; Väter sind am Umgang mit ihren Kindern interessiert, wenn sie sich zurückziehen, liegt dies an den Müttern; auch ein gegenüber der Mutter gewalttätiger Vater kann ein guter Vater sein.

Einigkeit besteht darüber, dass Kinder für ihre körperliche und geistige Gesundheit Sicherheit und Geborgenheit, Zuwendung, Verlässlichkeit und Kontinuität, glaubwürdige Vorbilder und verlässlichen Schutz brauchen. Aber statt diese Maßstäbe an den Umgang ausübenden Vater anzulegen, wird diesem fast alles nachgesehen, ohne dass sein Umgangsrecht tangiert wird: Das fängt bei so scheinbar harmlosem Fehlverhalten an, wie etwa dem, dass er das Kind im Auto nicht anschnallt oder dass er zu spät oder gar nicht zu verabredeten Zeitpunkt das Kind abholt. Aber auch wenn ein Vater sein Kind vorzeitig zurückbringt, weil es zum Beispiel krank geworden ist oder weil die Freundin unerwartet eintraf, scheint dies für jene, die über sein Umgangsrecht zu befinden haben, nicht von Bedeutung zu sein. Mit Nachsicht rechnen kann er auch, wenn er die Betreuung des Kindes Großeltern überlässt oder Freundinnen und sich zu seinen Hobbys zurückzieht. Scheinbar darf er auch mit dem Kind Geheimnisse haben, die es nicht mit der Mutter teilen soll und er kann Versprechungen machen, die er nicht hält, er kann sogar die Mutter bedrohen oder schlagen: Das alles setzt das Umgangsrecht nur selten außer Kraft.

Das Umgangsrecht wird von Gerichten benutzt - und das Kind dadurch instrumentalisiert -, um bei den Vätern eine bessere Zahlungsmoral zu erreichen, um Väter nach den Erschütterungen der Trennung zu stabilisieren, um Väter mit dem Verleihen von Rechten zu locken, sich nicht aus dem Staub zu machen.

Eine neue Waffe und psychologisch verbrämte Keule im Kampf militanter Väterorganisationen gegen das Umgangsrecht verweigernde Mütter ist PAS, die in den USA von einem Kinderpsychiater erfundene Theorie von dem Parental Alienation Syndrome, einer "krankhaften Elternentfremdung". Danach liebt das Kind grundsätzlich den Vater, andernfalls wird es von der Mutter in verantwortungsloser Weise manipuliert. Wenn das Kind gegenüber dem Umgang mit dem Vater Angst und Abwehr zeigt, ist dies demzufolge krankhaft. Die Mutter hat es einer Gehirnwäsche unterzogen und umprogrammiert, ihr ist die Erziehungseignung abzusprechen.

Obwohl es sich bei PAS nicht um eine fundierte wissenschaftliche, durch langjährige Forschung gestützte Theorie handelt, hat sie doch sehr schnell Eingang in die Rechtsprechung gefunden, sogar mit der Folge, dass Müttern, die den Umgang - z. B. wegen des Verdachts des Missbrauches - verweigern, die elterliche Sorge entzogen und auf den Vater übertragen wurde, obwohl bei ihm die sonst geforderten Voraussetzungen nicht vorlagen. Sollte dieses bereitwillige Aufgreifen von PAS Ausdruck eines in unserer Gesellschaft latent vorhandenen Frauen- oder Mütterhasses sein? Auf der Internetseite radikaler Väter, "die sich nichts mehr gefallen lassen" nämlich liest sich das so: "Den Müttern, die unbegründeten kriminellen Kindesentzug an Vätern betreiben, wird hiermit der ebenso brutale und rücksichtslose Krieg erklärt! Rache für unsere Kinder!"

Erzwungene Kontakte zwischen Vater und Kind fördern die Beziehung nicht, sondern zerstören sie eher.

Die berühmteste und einschlägige 25-jährige Forschung von Wallerstein über Scheidungskinder in den USA wird dagegen von der Rechtsprechung kaum beachtet. Sie weist nach, dass erzwungene Kontakte zwischen Vater und Kind die Beziehung nicht fördern, sondern eher zerstören.

Das eigentliche Problem in unserer Gesellschaft sind nicht Mütter, die den Umgang ihrer Kinder mit dem leiblichen Vater verweigern, sondern flüchtende Väter. Über dieses paternale Fluchtverhalten fehlt indes bisher jede wissenschaftliche Untersuchung.

Selbst der Motor der Vaterrechtsbewegung, der Soziologe Fthenakes, konnte auf die Frage, warum sich Väter so oft nach der Geburt eines Kindes zurückziehen, nur erklären: ". . . ein Vater ist eben viel, viel zerbrechlicher". Er fühle sich nach der Geburt vernachlässigt und zurückgesetzt - eine larmoyante und selbstbemitleidende Entschuldigung, statt mehr Väterbeteiligung und Verantwortung zu fordern!

Es ist an der Zeit, dass auch Mütter eine Mütterlobby bilden und für ihre Vorstellungen von der Rolle von Vätern innerhalb und außerhalb der Familie kämpfen. Schließlich sind sie es, die von Besuchen beim Vater oft enttäuscht, verwirrt, aggressiv und wütend oder vorwurfsvoll zurückkehrende Kinder - oder vergeblich auf den Vater wartende - wieder auffangen, trösten und stabilisieren müssen. Bis zum nächsten Besuch.

Trotzdem erfahren sie von öffentlichen Institutionen immer wieder Verständnislosigkeit, Abwertung und Druck. In einigen Städten haben Mütter Selbsthilfegruppen gegründet. Und im Rahmen des Freiburger Interventionsprojektes gegen häusliche Gewalt hat eine Gruppe nun Standards für den Umgang von gewalttätigen Vätern erarbeitet, damit die zuständigen Behörden und Institutionen eine Orientierung haben.

Die Erfahrungen aller Beteiligten zeigen, dass der Umgang der Kinder mit getrennt lebenden Vätern wohl erst dann für alle Beteiligten kein Problem mehr ist, wenn Väter schon während der Zeit des Zusammenlebens gleichberechtigt Verantwortung und Fürsorge für Kinder übernommen haben. Doch bis es soweit ist, wird die Reform wohl noch einige Reformen erfahren müssen.

Heide Pasquay ist Rechtsanwältin in Freiburg und seit Jahren im Familienrecht und in der Frauenbewegung tätig.

Info Box
RADIKALE VÄTER
So nannten sie sich: "Radikale Väter - die Selbsthilfegruppe der entrechteten, meist unehelichen Väter, denen durch unmenschliche Mütter im Zusammenspiel mit dem derzeit gegebenen juristischen Repressionsapparat der Kontakt zu ihren Kindern verwehrt wird." Die Homepage der "Radikalen Väter" wurde inzwischen von der Telekom aus ihrem Web-Angebot entfernt, da diese "Gewalt verherrlichen". Das heißt allerdings nicht, dass die Seite nicht weiter im Internet zu finden ist, samt ihrer "Schwarzen Liste", auf der es heißt: "Hier finden Sie die Mütter, die Jugendamtsmitarbeiter, die Richter, Gutachter und sonstige Beihilfeleistende, die besonders 'positiv' aufgefallen sind", Namen und Adresse inklusive.

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