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Schwarzwälder Bote
Samstag, 27. Oktober 2003

Das Reizthema Unterhalt: Wenn Männer sich drücken und Frauen auf Rache sinnen


Geschiedene Partner kämpfen oft mit allen Mitteln ums Geld / Politiker sehen Handlungsbedarf für geänderte Gesetzeslage

Von Barbara Gärtner und Rainer Wehaus

Stuttgart. Keinen Cent sollte seine Ex-Frau bekommen, das hat sich der Hamburger Zahnarzt vorgenommen. Die gut gehende Praxis hat er verschenkt, sein Vermögen auf den Kopf gehauen - die Ex-Gattin bekommt nun Geld vom Sozialamt, der Zahnarzt selbst lebt auf der Straße. "Das ist schon ein besonders krasser Fall", meint ein Stuttgarter Detektiv. "Was soll man bei so einem Mann dann noch eintreiben?"

Dass es Männer gibt, die mit allen Tricks ihr wahres Vermögen verschleiern, um sich vor der Unterhaltspflicht zu drücken, davon kann der 43-jährige Ermittler ausdauernd berichten. Denn so manche Geschiedene mag sich nicht mit der vermeintlichen Armut des Verflossenen abfinden und bestellt Nachforschungen. Die einfachere Übung des Vertuschens, erzählt der Detektiv, sind heimliche Aktiendepots oder Schwarzkonten in der Schweiz.

Südwest-Staat springt 2002 für 32 000 Drückeberger ein

"Manche Männer übertragen auch ihre Immobilien auf die neue Lebensgefährtin; und schon kommt man nicht mehr ans Geld ran." Überraschend lange Arbeitszeiten hat er bei Männern festgestellt, die vor Gericht angaben, nur einem Minijob nachzugehen. Sie arbeiten schwarz. Mit einem Märchen räumt er allerdings auf "Unbekannt verzogen", das geht in Deutschland nicht. "Wenn der Mann nicht ins Ausland abhaut, dann findet man ihn immer." Einen wie ihn zu beauftragen, sei aber nur bei betuchten Männern sinnvoll, meint der Detektiv: "Durchschnittlich 52 Euro verlangen wir für eine Stunde, dazu kommen dann oft noch Nacht- und Feiertagszuschläge und Spesen."

Es gibt einige Drückeberger. 2002 zählte man allein in Baden-Württemberg 32 000 Fälle, wo der Staat als Unterhaltszahler einspringen musste. Ein Haushaltsposten, der bei Bund und Land Millionen verschlingt. Die hohe Zahl der Drückeberger mag auch daran liegen, dass viele Männer die Unterhaltsregeln als höchst ungerecht empfinden.

Da ist zum Beispiel Franz Baum (Name von der Redaktion geändert). Der 44-Jährige aus dem Kreis Esslingen ist seit sieben Jahren geschieden, verdient sehr gut und hat eine neue Familie gegründet. Baum ist kein Drückeberger. Dass er für seine beiden schulpflichtigen Kinder aus erster Ehe monatlich 680 Euro Unterhalt zu zahlen hat, versteht er. Dass er aber pro Monat weitere 780 Euro an seine Ex-Frau überweisen muss, wurmt ihn mächtig. Zum einen verdient seine Verflossene selbst halbtags Geld, doch nur die Hälfte davon wird auf den Unterhalt angerechnet. Zum anderen hat sie seit längerem einen neuen Lebensgefährten, der gut verdiene und ihr mehrere Urlaube pro Jahr finanziere. Würden die beiden zusammenziehen, müsste Baum nicht mehr zahlen. Und genau deshalb täten sie es nicht, sagt er. Rache ist süß.

Baum hat jahrelange Prozesse mit seiner Ex-Frau hinter sich, deren Ausgang sein Vertrauen in den Rechtsstaat ziemlich erschüttert haben. Willkürlich und meist männerfeindlich sei die Rechtsprechung, meint er. Jeder Richter habe seine eigenen Vorstellungen davon, was man beiden Seiten zumuten könne. Und in der Regel schlage sein Herz für die allein stehende Frau mit Kindern.

Ehepaar macht entsetzt wieder kehrt, als es die Nachteile erfährt

Vor allem bei wohlhabenden Männern gehe es den Richtern nicht um Gerechtigkeit. "Da wird geschaut, dass möglichst viel Unterhalt herauskommt, nur damit der Staat auf keinen Fall Sozialhilfe zahlen muss", argwöhnt Baum und erzählt empört von seiner Verhandlung vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht, bei der er zu einem Vergleich geradezu genötigt worden sei: Entweder er stimme zu; oder er müsse noch mehr zahlen, habe der Richter gesagt. Baum: "Ich kam mir vor wie bei der Mafia."

Besonders ärgert ihn, dass seine neue Familie gegenüber der alten benachteiligt werde. Dass er auch seine jetzige Frau, die sich um zwei kleine Kinder kümmert, versorgen muss, werde nicht berücksichtigt, sagt er. Sogar den finanziellen Vorteil, den er durch das Ehegattensplitting hat, muss er an seine Ex-Frau abführen. In seinem Ärger hat sich Baum auch an den Bundestagsabgeordneten seines Wahlkreises gewandt. Doch der gab ihm zu verstehen, dass er dieses heiße Eisen lieber nicht anfassen will.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) zeigt sich da etwas mutiger. Zwar hält sie die Scheidungsgesetze "grundsätzlich" für gerecht, wie sie in "Focus" sagte. Sie will aber - auf Anraten der Familienrichter - noch in dieser Legislaturperiode dafür sorgen, dass Kinder aus zweiter Ehe bei der Berechnung des Unterhalts künftig stärkere Berücksichtigung finden. Baden-Württembergs Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck (FDP), die lange als Familienanwältin tätig war, sieht eher ein steuerliches Problem: Der Wegfall des Ehegattensplittings treibe viele geschiedene Familien in die Sozialhilfe, meint sie und plädiert für ein Familiensplitting.

Das Unterhaltsrecht selbst hält Werwigk-Hertneck für "ausgewogen", den Vorwurf der willkürlichen und männerfeindlichen Rechtsprechung für unbegründet. Dass die erste gegenüber der zweiten Frau bevorzugt werde, sei nun mal geltende Rechtslage, sagt sie, und das mache durchaus Sinn. "Die zweite Frau weiß ja, worauf sie sich einlässt, wenn sie einen geschiedenen Mann mit Unterhaltspflichten heiratet. Die erste sitzt erst mal mit den Kindern da und muss schauen, wie sie klarkommt."

Werwigk-Hertneck empfiehlt Scheidungswilligen, sich bei Fachanwälten für Familienrecht Rat zu holen. Das seien meist Anwälte, "die nicht Öl ins Feuer gießen, sondern einvernehmlich Lösungen suchen". Eine gute Beratung habe auch schon manche Ehe erhalten, sagt Werwigk-Hertneck und erzählt lachend die Geschichte von dem wohlhabenden Unternehmerpaar, das einst in ihre Stuttgarter Kanzlei kam. Als die beiden ausgerechnet bekamen, welche finanziellen Nachteile eine Scheidung hätte, machten sie entsetzt wieder kehrt.

Ein paar Jahre später traf Werwigk-Hertneck das Paar zufällig wieder und erntete späten Dank: "Sie haben unsere Ehe gerettet."

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