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FAZ
Mittwoch, 24. September 2003

Den "neuen Vätern", kann man es nicht recht machen

Das deutsche Umgangsrecht benachteiligt nicht die Erzeuger, sondern schützt lediglich Mütter / Von Kerima Kostka

Unter dem Titel "Mein Kind gehört mir! Das neue Matriarchat und die von der Erziehung ausgeschlossenen Männer" hatte der Autor Bernd Fritz am 1. September an dieser Stelle in einer Polemik die Folgen des deutschen Umgangsrechts für die Väter kritisiert. Heute antwortet die Frankfurter Erziehungswissenschaftlerin Karima Kostka. Sie beschreibt das Umgangsrecht nicht als männerfeindlich, sondern als familienfreundlich. (F.A.Z)

Mein Kind gehört mir! So manche Mutter, der dieser Satz in den Mund gelegt wird, fragt sich: Wo sind sie denn, diese Väter, die unbedingt ihren Teil an der Erziehung der Kinder leisten wollen? Schließlich zeigen zwar Untersuchungen auf der ganzen Welt, daß sich die Einstellungen der Väter gewandelt, Familie und Kinder einen größeren Rang für sie haben. Aber sie zeigen auch, daß das auf ihr Verhalten, die tatsächlich ausgeübte Erziehung und Pflege der Kinder, bisher wenig Auswirkungen hat. Weiterhin sind die Mütter für Kindererziehung und Haushalt zuständig. Die getrennt von der Mutter ihrer Kinder lebenden Väter wollen angeblich gleichberechtigt an Erziehung und Pflege der Kinder teilnehmen. Gehindert würden sie daran, so wird argumentiert, von den Müttern, die Vaterschaften verschwiegen oder nach der Scheidung die Väter mit perfiden Methoden am Umgang mit ihren Kindern hinderten, während sie gleichzeitig die Väter per Unterhalt ausnähmen. Die meisten der zur Begründung angeführten Fakten dieses "neuen Matriarchats" halten jedoch kritischer Überprüfung nicht stand.

Jedes zweite nichtehelich geborene Kind (das wären 90 000 im Jahr) soll nicht wissen, wer sein Vater ist? Falsch. Der Anteil der feststehenden Vaterschaften liegt seit zehn Jahren bei mehr als 90 Prozent. Überwiegend handelt es sich dabei um Vaterschaftsanerkennungen, zu denen sich allerdings 20 bis 30 Prozent der Väter erst nach Intervention des Jugendamtes entschließen konnten. Auch heute noch haben die Jugendämter ein Interesse an der Vaterschaftsfeststellung, insbesondere, wenn die Mutter Sozialhilfe oder einen Unterhaltsvorschuß beantragt: Wenn sie den Vater nicht angeben will, muß sie darlegen, warum, und kann sogar Bezüge gekürzt bekommen. Und schließlich kann der Vater, wenn die Mutter ihre Zustimmung zur Anerkennung der Vaterschaft verweigert, mit einer eigenen Klage die Vaterschaft feststellen lassen. Warum sollte die Ursache für eine verschwiegene Vaterschaft bei der Mutter zu suchen sein? Vielleicht wird der Vater mit seinem Einverständnis nicht angegeben - zum Beispiel bei einer außerehelichen Affäre oder weil die Beziehung zum Zeitpunkt der Geburt nicht mehr besteht. Vielleicht kennt die Mutter den Namen des Vaters nicht. Vielleicht aber auch ist das Kind Folge von Vergewaltigung, sexuellem Mißbrauch oder Inzest.

Das Bundesverfassungsgericht hat auch nicht pauschal einen Anspruch des ledigen Vaters auf das Sorgerecht verneint. Der Sorgerechtsvorrang der Mutter beruht auf der Annahme des Gesetzgebers, daß nichteheliche Kinder nicht nur in intakte Gemeinschaften geboren werden, sondern auch im Rahmen flüchtiger Beziehungen, in denen die Mutter die einzig sichere Bezugsperson ist. Zum anderen durfte der Gesetzgeber - so das Gericht - annehmen, daß Eltern, die zusammenleben und die Pflege und Erziehung des Kindes gemeinsam übernehmen wollen, die gesetzliche Möglichkeit einer übereinstimmenden Erklärung gemeinsamer elterlicher Sorge nutzen würden und daß das Fehlen einer solchen Erklärung auf schwerwiegende Konflikte zwischen den Eltern schließen lasse - so daß ein gemeinsames Sorgerecht allein auf Antrag des Vaters nicht im Interesse des Kindes wäre. Das Bundesverfassungsgericht hebt nun aber hervor, daß eine solche Regelung nur solange verfassungsgemäß ist, wie diese Grundannahmen stimmen. Deshalb müsse man beobachten, ob dauerhaft viele Eltern zusammenleben und für das Kind sorgen, ohne die gemeinsame Sorge zu beantragen. Wenn hierfür eine unbegründete Verweigerungshaltung der Mutter regelmäßig die Ursache sei, gelte es, die bisherige Regelung im Sinne eines Antragsrechts des Vaters zu überarbeiten. Die aktuelle Regelung beruht also nicht auf einer erwünschten Allmacht der nicht verheirateten Mutter über das Kind, sondern auf Annahmen über nichteheliche Kinder und deren Interessenwahrung - mit der ausdrücklich erklärten Konsequenz, daß gesellschaftliche Veränderungen auch eine Gesetzesänderung zur Folge haben müssen.

Viele Väter haben bereits ein Jahr nach der Trennung keinen Kontakt mehr zu ihren Kindern. Die Ursache hierfür nur in der Mutter zu suchen, die trotz gemeinsamem Sorgerecht den Umgang des Vaters mit den Kindern vereitele, ist zu einfach. So wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht kaum so ausgelegt, daß die Mutter den Wohnort der Kinder nach Belieben bestimmt und von Hamburg in den Bayerischen Wald verzieht, ohne daß der Vater etwas dagegen tun könne. Abgesehen von den faktischen Schwierigkeiten müssen sich die Eltern beim gemeinsamen Sorgerecht prinzipiell über den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes einigen, also darüber, bei wem das Kind hauptsächlich leben soll. Es ist juristisch umstritten, ob dieser Elternteil umziehen kann, wenn dadurch der Umgang des anderen erschwert wird. Übrigens darf der Vater weiterhin ziehen, wohin er will - ungeachtet seiner Umgangspflicht und des Umgangsrechts.

Zahlreiche Studien zeigen, daß die Gründe für den Abbruch des Kontakts zwischen Vätern und Kindern vor allem bei den Vätern zu suchen sind. Das heißt jedoch nicht, daß sie böswillig so handeln. Vielmehr kann die Scheidung beim Vater Gefühle hervorrufen, die eine Kontaktaufnahme zu den Kindern erschweren. Möglicherweise hat er auch Angst vor Zurückweisung durch die Kinder oder ist mit dem Kontakt überfordert, der sich ganz anders gestaltet als im Familienleben, Pflege und Erziehung umfaßt, für die zuvor meist die Mutter zuständig war.

Auch der Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs ist keine übliche Methode der Umgangsvereitelung. Studien haben ergeben, daß falsche Anschuldigungen des sexuellen Mißbrauchs nur in wenigen Fällen erhoben werden. In einer Auswertung von Berliner Verfahrensakten fand man den Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs nur in 3,03 Prozent der Verfahren. Zudem stammten die Anschuldigungen zu mehr als 40 Prozent nicht von der Mutter, und es konnte nur ein Fall absichtlicher Falschbeschuldigung festgestellt werden. Nur in einem einzigen Fall führte der Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs zu einem vorläufigen Ausschluß des Umgangs, in allen übrigen Fällen wurde der Umgang (zum Teil mit Einschränkungen) gewährt.

Und schließlich mag der Wille des Kindes von "PAS" beeinflußt sein - aber dieses von dem amerikanischen Psychiater Richard Gardner so benannte "Parental Alienation Syndrome" ist keinesfalls ein anerkanntes psychiatrisches Syndrom. Es ist vielmehr heftigster Kritik ausgesetzt, da ihm die empirische Basis fehlt. Eigene Gründe des Kindes für die Ablehnung (in den schlimmsten Fällen Gewalt oder sexueller Mißbrauch) werden generell als beeinflußt diskreditiert, und Äußerungen der Mutter, zum Beispiel, daß der Vater keinen Unterhalt zahlt, werden stets als negative Beeinflussung ausgelegt. Daß es Eltern gibt, die ihre Kinder zu beeinflussen versuchen, soll damit nicht bestritten werden; ebensowenig, daß Kinder Allianzen mit Elternteilen schließen, was aber auch von dem Bedürfnis herrühren kann, sich durch Parteinahme von Loyalitätskonflikten zu befreien. Die Scheidungsforschung hat aber auch ergeben, daß solche Allianzen besonders von Kindern zwischen acht und zwölf Jahren eingegangen werden und daß sie nicht langlebig sind, sondern sich nach einiger Zeit von selbst auflösen - ein Prozeß, der durch Druck und Zwang eher verlängert und behindert wird.

Mit dem "Besitz" des Kindes und dem "Eigentumsvorbehalt" der Mutter geht vor allem einher, daß die Mutter das "Recht" zur tagtäglichen Pflege und Erziehung hat, also Kinderbetreuung zu organisieren, mit Lehrern zu sprechen, Ärzte aufzusuchen, Hausaufgaben zu betreuen, zu kochen, zu waschen und möglichst nebenher noch Geld zu verdienen. Gesetzlich findet der reale Versorgungsunterhalt durch die Mutter sein Pendant im finanziellen Unterhalt durch den Vater. Allerdings kommen viele Väter ihren Unterhaltspflichten nicht nach, und der Staat zahlt deshalb Unterhaltsvorschuß in Höhe von Millionen Euro an Steuergeldern. Ein erheblicher Teil kann nicht von den Vätern eingetrieben werden.

Auch die Berufung auf Gerhard Amendt hilft nicht weiter. Nach seinen Untersuchungen erhalten Männer mit hohem Einkommen eher das gemeinsame Sorgerecht und sehen das Kind häufiger, wenn sie mehr Geld für Unterhalt zahlen. Ähnliche Zusammenhänge zwischen väterlichem Einkommen und Sorgerecht weisen auch amerikanische Studien nach: Allerdings wird dort als Ursache angenommen, daß sich in bessergestellten Familien das neue Leitbild der "Trennungsfamilie" mit weiter bestehender gemeinsamer Verantwortung schon stärker durchgesetzt hat. Väter, die regelmäßig Unterhalt zahlen, möchten ihre Kinder auch finanziell gut versorgt sehen oder beim Umgang "kontrollieren", daß ihr Geld im Sinne der Kinder verwendet wird. Vielleicht sind auch die elterlichen Beziehungen, in denen die Väter mehr Unterhalt zahlen und die Kinder häufiger sehen, von vornherein nicht so schwierig.

Den Müttern soll es nur um finanzielle Absicherung gehen? Viele Studien zeigen, daß Mütter nach der Trennung durchweg weniger Einkommen haben als Väter, obwohl sie eine größere Anzahl von Personen im Haushalt zu versorgen haben - trotz gemeinsamem Sorgerecht in 70 Prozent der Fälle leben nach wie vor 90 Prozent der Kinder bei der Mutter. Eine Studie der Universität Bielefeld ergab, daß das Einkommen von Frauen nach Trennung und Scheidung um durchschnittlich 44 Prozent sinkt; das der Männer nur um sieben Prozent. Da die Frauen zudem nur selten die rechtlichen Möglichkeiten nutzten, bei der Scheidung die wirtschaftlichen Folgen wie Vermögensausgleich oder Ehegattenunterhalt zu regeln, war für die Männer meist der Kindesunterhalt die einzige direkte wirtschaftliche Scheidungsfolge.

Auch die Klage, daß die Benachteiligungen der Väter das Finden einer neuen Partnerin erschwere, geht fehl. So ergeben zumindest amerikanische Studien, daß Väter wesentlich schneller und häufiger wieder eine neue feste Bindung oder Ehe eingehen als Mütter. Wenn auf potentielle Partnerinnen die Umgangsverpflichtungen der Väter angeblich abschreckend wirken und gleichzeitig angeblich Beziehungen häufig an den Problemen scheitern, die durch Umgangsvereitelung entstehen, kann das wohl nur heißen: Diesen "neuen Vätern" kann man es kaum recht machen. Sowohl Umgangsverpflichtungen als auch Umgangsvereitelungen behindern ihr Glück.

Kerima Kostka ist Erziehungswissenschaftlerin und Verfasserin einer Studie zu Sorgerechtsmodellen in Deutschland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten.


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