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Fränkischer Tag
Montag, 23. Februar 2004

"Armut ist vorprogrammiert?"

Ingrid Schumacher aus Frimmersdorf will für Zweitfrauen und Zweitfamilien eintreten


Frimmersdorf. Munter fressen Meisen die Sonnenblumenkerne aus dem Vogelhaus vor Ingrid Schumachers Arbeitszimmer. Sie sitzt am Computer und chattet, tauscht sich aus mit jenen, die ähnliche Sorgen haben wie sie. Ingrid Schumacher ist "Zweitfrau".

von Waltraud Enkert

Das heißt, verheiratet mit einem Mann, der bereits Ehefrau hatte und Kinder hat. "Es ist ein Kampf", sagt sie. "Schieflagen", vor denen sie sich nicht länger verschließen will. "Da muss sich was ändern, muss was gerechter werden."

Seit zehn Jahren - solange kennt sie ihren Ehemann, unterstützt sie ihn im Kampf um Umgang und Sorgerecht für seine Kinder. Vom Unterhalt ganz zu schweigen. Sie selbst ist heute 51 Jahre alt und hat aus dieser Beziehung keine Kinder. "Wenn die Ex-Frau nicht will, hat mein Mann keine Möglichkeit, die Kinder zu sehen - ein Teufelskreis, denn diese Situation belastet Väter sehr", sagt sie.

Ingrid Schumacher erzählt die Geschichte von einem Arzt. Seine Frau wollte ihm die beiden Kinder vorenthalten. "Unter miesen Behauptungen wie sexueller Missbrauch und dass er die Kinder geschlagen hätte, hat sie das versucht." Der Mann sei mit dieser Situation nicht klargekommen. "Das hat ihn kaputt ge macht. Heute ist er psychisch krank, kann nicht mehr arbeiten und hat keine Freude mehr am Leben."

"Die Ex schläft mit"

"Wer in solchen Fällen natürlich mit dem Betroffenen leidet und sich mit sorgt, ist die neue Frau", meint Ingrid Schumacher. Manchmal sagt sie: "Die Ex schläft bei uns mit im Bett." Das ist ganz normal. Mit wem sollte der Mann denn sprechen, wenn nicht mit dem Menschen, den er liebt, und von dem er geliebt wird, fragt sie. "Wer selbst nicht betroffen ist, kann sich das überhaupt nicht vorstellen." In der Öffentlichkeit und auch unter Freunden werde ihr Problem belächelt. "Warum tust du dir so einen Mann an? Das hast du doch vorher gewusst! Du siehst doch nicht schlecht aus und hättest bestimmt auch noch einen anderen bekommen" - so oder ähnlich hört sie es immer wieder. Zweitfrauen aus dem ganzen Bundesgebiet bestätigen ihr das im Forum. "Was vergessen wird ist, dass ich gar keinen anderen Mann will."

Unter Schumachers Beteiligung haben Zweitfrauen bzw. Zweitmänner und Zweitfamilien seit kurzem eine Homepage (www.zweitfrauen.de), seit knapp einer Woche besteht das Forum.

"Betroffene kotzen sich hier regelrecht aus", sagt sie. Ein Beweis, wie wichtig diese Möglichkeit des Austausches ist. Ingrid Schumacher aus Frimmersdorf geht noch einen Schritt weiter. "Wir wollen uns in Zukunft regelmäßig treffen." (Siehe dazu nebenstehenden Kasten).

VAfK steht für den Verein "Väteraufbruch für Kinder", ein Zusammenschluss, den es schon seit einigen Jahren gibt. Hier haben sich Väter zusammengetan, geben sich gegenseitig Tipps und Beistand, wenn es um Sorgerecht, Umgangsrecht, Probleme mit der Ex und natürlich um Unterhalt geht. Auch Ingrid Schumachers Ehemann ist hier Mitglied.

"Da wird nicht streng nach Geschlecht getrennt. Betroffene Frauen sind hier ebenso willkommen." Auf der Homepage des VAfK gibt es auch einen Zweitfrauenbutton, erklärt sie und fügt hinzu, dass hier die Zweitfrauen-Initiative ihren Ursprung hat.

Richtig schlimm werde es dann, wenn der Vater der Kinder mit seiner neuen Frau noch eine Familie gründen will, erklärt Schumacher. "Da ist Armut vorprogrammiert", sagt sie und zeigt an einem Beispiel, angelehnt an die "Düsseldorfer Tabelle", wie gerechnet wird:

Ein Mann verdient 1500 Euro netto und hat aus erster Ehe zwei Kinder im Alter von fünf und sechs Jahren. Für die Kinder muss er 227 (für den Fünfjährigen) und 275 Euro (für den Sechsjährigen) monatlich bezahlen. Also bleiben ihm erstmal noch 998 Euro. 840 Euro sind (im Westen) der Selbstbehalt, die Differenz, also 158 Euro, erhält die geschiedene Frau. Dazu noch 304 Euro Kindergeld. "Das ist auch nicht sehr viel, da aufgrund des Einkommens des Vaters der Unterhalt an die Ex-Frau relativ niedrig ist."

Schumacher erklärt: "Die Ex-Frau braucht solange nicht zu arbeiten, solange ein Kind 14 Jahre oder noch jünger ist. In manchen Regionen gilt das bis zu zwölf Jahren." Kommt jetzt noch ein drittes Kind mit der neuen Frau dazu, würden die Zahlungen pro Kind zwar ein wenig niedriger werden, doch das sei bei weitem noch zu wenig, um die Familie zu ernähren, gibt Ingrid Schumacher zu bedenken.

Genau diese Situation beschreibt soeben eine Zweitfrau im Forum: "Ich bettele gerade um einen Krippenplatz für meinen neun Monate alten Jungen. Denn ich muss so schnell wie möglich Arbeit suchen, da mein Mann 537 Euro bezahlen muss bei einem Nettogehalt von 1168 Euro. Was da übrig bleibt, kannst du dir ja denken." Und sie klagt an: "Anwälte, Richter und Politiker wahren die Rechte der ersten Frau, und nicht der zweiten."

Vielschichtige Probleme

Das ist die Schieflage, gegen die Ingrid Schumacher eintreten will: "Die Ex-Frau mit den größeren Kindern darf daheim bleiben, die Zweitfrau mit dem Baby muss arbeiten gehen." Einer ledigen Mutter werde es auch zugemutet, dass sie, wenn das Kind drei Jahre alt ist und in den Kindergarten geht, dazu verdient. Ebenso einer Mutter, die Sozialhilfe bezieht.

Insgesamt gesehen seien die Probleme noch sehr vielschichtiger. Die finanzielle Misere der Zweitfamilie macht Schumacher mit verantwortlich für den Kindermangel in Deutschland. Hinzu komme, dass die Erstfrau, die sich im Normalfall 14 Jahre auf die Kindererziehung konzentrieren konnte, in dieser Zeit keinen Rentenbeitrag einbezahlt habe. "Wenn sie ins Rentenalter kommt, fehlt ihr diese Zeit. Vorher kann sie durch die lange Arbeitspause nur sehr schwer wieder berufstätig werden. Also liegt sie weiter dem Ex-Mann oder dem Sozialamt auf der Tasche. Irgendwann kann es soweit kommen, dass die Kinder einen Teil ihres Einkommens für die Mutter an das Sozialamt abführen müssen."

Ingrid Schumacher könnte viel erzählen über regelrechte Tragödien, die sich in "geteilten Familien" abspielen. Von Beschimpfungen seitens der Ex-Frau, Problemen mit Stiefkindern, bis zum Vater, der sich selbst nichts mehr wert scheint, sich als Milchkuh fühlt, die gemolken wird. Für sie ist es kein Wunder, dass Zweitehen aufgrund der psychischen Belastung viel häufiger in die Brüche gehen, ungezählt die vielen Lebenspartnerschaften, denen es ebenso ergeht.

Als sie selbst 1975 mit einem Kind geschieden wurde, stand ihr von gesetzlicher Seite überhaupt kein Unterhalt zu, erklärt sie. "Das war auch eine Schieflage", sagt Ingrid Schumacher heute. Zwei Jahr später sei das neue Scheidungsrecht in Kraft getreten. Sie wünscht sich insgesamt "mehr Gerechtigkeit". Dazu will sie ihren Teil beitragen.

Noch beschränkt sich ihr Haupteinsatz auf das Zuhören. Aber gerade das sei sehr wichtig. Wo sie kann, gibt sie Tipps via Internet. "Man kann aus den Fehlern anderer lernen."

Mit gut 100 Zweitfrauen deutschlandweit steht sie derzeit in Kontakt. Wenn sich erst einmal ein fester Kreis bei den monatlichen Treffen formiert hat, sollen Aktionen folgen. Ingrid Schumacher denkt an Informationsstände, beispielsweise auf Festen oder in Innenstädten, an Flyer und Broschüren. Selbstverständlich sei sie auch Ansprechpartnerin für Betroffene im näheren Umkreis. Bei Bedarf sei sie auch bereit, hier im Raum regelmäßige Zusammenkünfte zu organisieren.

Sie will Pfarrer und Politiker der Umgebung ansprechen. Denn: "Die werden oft um Rat gebeten, sind aber damit vermutlich überfordert." Auch Väter oder Großeltern dürfen sich an sie wenden. "Omas haben auch ein Recht, ihre Enkel zu sehen", sagt sie und verweist auf die Paragraphen 1626 und 1685 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).

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