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Südwestpresse
Donnerstag, 24. April 2003
RECHT UND RAT

JUSTIZ / Verlorene Prozesse können auf Pfusch zurückgehen

Auch Anwälte machen Fehler


Mandanten haben Recht auf Schadenersatz - Hürden hierfür sind jedoch hoch

Spätestens seit der TV-Serie "Liebling Kreuzberg" sind Anwälte dem Durchschnittbürger nicht nur vertrauter und sympathischer geworden, sie genießen auch noch mehr Vertrauen als vorher. Doch wie bei den Ärzten gibt es auch in diesem Berufsstand Fehler und Pannen.

DIEBURG Viele Mandanten vertrauen ihrem Anwalt blind. Nicht aus Gutgläubigkeit, sondern weil sie im Rechtsstreit auf einen Experten angewiesen sind. Ob der seine Arbeit aber auch in ihrem Sinne sorgfältig und pflichtgemäß erfüllt, können Laien kaum nachvollziehen. "Etwa in jedem fünften Urteil gibt es heute versteckte Hinweise darauf, dass der Rechtsanwalt Fehler gemacht hat", berichtet Horst Roosen, der Vorstand des Vereins Bund für soziales und ziviles Rechtsbewusstsein (BSZ) ist.

Häufige Patzer sind unrichtige oder nicht allumfassende Rechtsauskünfte, versäumte Termine und Fristen, innerhalb derer dem Gericht zu antworten ist, oder nicht vorgelegte Argumente und Beweise. Oft werden auch Eheverträge nicht genau genug abgefasst, was im Falle einer Scheidung den Mandanten ein Vermögen kosten kann. "In der Regel sind diese Fehler von juristischen Laien aber nicht zu erkennen", betont BSZ-Rechtsexperte Phillipp Wolfgang Beyer, Rechtsanwalt in Jena.

Am ehesten werden sie auf die Patzer aufmerksam, wenn sie versteckt im Urteil stehen. Da kann es dann zum Beispiel heißen: "Die Klage ist unschlüssig" oder "Es wurde kein Beweis vorgetragen". Allerdings verlangt auch die anwaltliche Hinweispflicht, Fehler unaufgefordert zu offenbaren. Mandanten haben dann das Recht, Schadenersatz zu fordern. "Die Hürden für Regressprozesse sind jedoch sehr hoch", räumt Roosen ein. Der Ersatzanspruch verjährt schon drei Jahre, nachdem er entstanden ist. Dabei ist es egal, ob der Mandant überhaupt Kenntnis davon hatte.

Der Rechtsanwalt muss auch nur haften, wenn zwischen Schaden und seinem Fehler ein direkter Zusammenhang besteht und der Mandant dadurch Vermögen einbüßt. "Dieser Zusammenhang ist aber oft schwer nachzuweisen", sagt Rechtsanwalt Beyer. "Denn ein verlorener Prozess bedeutet nicht automatisch, dass der Anwalt Fehler gemacht hat." Falls doch, muss er gegebenenfalls die Prozesskosten zahlen, nicht aber zwangsläufig die Klagesumme. Um den "Schaden zu heilen", kann er ein zweites Verfahren führen, dessen Kosten dann aber er übernehmen muss.

Leugnet der Anwalt den Fehler, kann der Mandant ihn von einem anderen Kollegen verklagen lassen. "Die Gefahr, dass man dabei Schiffbruch erleidet, ist allerdings groß", warnt Roosen. In kleinen Städten ist es häufig schwer, überhaupt einen Rechtsanwalt zu finden, der gegen seinesgleichen vorgeht. Manche nehmen den Fall nur aus wirtschaftlicher Notwendigkeit an, ohne sich genauer im Berufsrecht auszukennen. Oft genug machen sie dann selbst Fehler oder lassen die schwierige Materie "auf halber Strecke schleifen".

Vor Klage informieren

Bevor man sich in ein Verfahren gegen seinen Anwalt stürzt, sollte der neue Rechtsbeistand erst getestet werden, rät Roosen. Hat er schon einmal einen Prozess gegen einen Kollegen geführt? War er erfolgreich? Sind die Fehler, die der andere gemacht hat, für ihn ersichtlich? Welche Kosten entstehen und wann sind sie fällig? Wer unsicher ist, kann sich auch an den Bund für soziales und ziviles Rechtsbewusstsein wenden.

Gegen eine Gebühr von 75 Euro prüfen die Juristen, ob ein Verfahren Aussicht auf Erfolg hat. Eingereicht werden müssen das Urteil und alle wichtigen Unterlagen. Dafür erhalten die Mandanten dann ein Gutachten, in dem der Schritt empfohlen oder davon abgeraten wird. "In etwa der Hälfte der Fälle wird zur Klage gegen den Anwalt geraten", sagt der Vorstand des Bundes.
ddp

INFO
Adresse: Bund für soziales und ziviles Rechtsbewusstsein e.V., Groß-Zimmerner-5tr. 36 A, 64807 Dieburg. Telefon: 06071/823780, Fax: 01212-510320524

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