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Südwestpresse
Donnerstag, 28. August 2003
RECHT UND RAT
RECHTSMITTEL / Gegen fast alle Entscheidungen gibt es Einspruchsmöglichkeiten
Der Weg zum zweiten Verfahren
Wer sich beschwert, muss Fristen beachten - Oft ist ein Anwalt vorgeschrieben
Wer mit dem Urteil eines Gerichts oder dem Bescheid einer Behörde unzufrieden ist, kann sich fast immer dagegen wehren. Der Katalog der Rechtsmittel, den das Gesetz für die unterschiedlichen Situationen vorsieht, ist freilich oft unübersichtlich. Eine kleine Auswahl.
CHRISTOPH FAISST
"Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: . . ." Wenn das Gericht seine Entscheidung verkündet, ist das für einen Teil der Verfahrensbeteiligten stets mit Unbehagen verbunden: Im Strafverfahren ist dem Angeklagten die Strafe zu hoch, dem Staatsanwalt ist sie zu lasch. Und im Zivilprozess ist ohnehin jede Partei der Ansicht, das Urteil müsse zu ihren Gunsten ausfallen. Zufrieden ist kaum einmal einer. Wer glaubt, das Gericht hätte anders entscheiden müssen, muss ein Urteil nicht hinnehmen: Das Gesetz sieht fast in allen Fällen so genannte Rechtsmittel vor.
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Im Zivilprozess gibt es grundsätzlich gegen die Urteile der ersten Instanz - das sind die Amts- oder Landgerichte - die Möglichkeit der Berufung. Das bedeutet, dass der Fall neu aufgerollt wird, die Zeugen noch einmal vernommen werden. Dennoch gibt es Hürden, vor allem sind Fristen einzuhalten. So muss die Berufung innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Urteils an die Partei oder deren Anwalt eingelegt werden. Außerdem muss der Streitwert 600 Euro übersteigen. Liegt er darunter, kann das Gericht die Berufung dennoch zulassen, wenn es glaubt, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung.
Ein weiterer Fallstrick: Auch wenn alles noch einmal überprüft wird, gibt es rigide Vorschriften, die es schwer machen, neue Tatsachen vorzubringen. Vereinfacht gesagt: Was jemand bereits in der ersten Instanz weiß, muss er auch sagen. Informationen, die er verschwiegen hat, kann er dann in der Berufung nicht mehr geltend machen.
Das Urteil des Berufungsgerichts kann nur noch mit der Behauptung angegriffen werden, die Entscheidung verletze Gesetze; die Tatsachenlage wird nicht überprüft. Wieder gilt die Monatsfrist, die Revision muss durch einen Rechtsanwalt begründet werden. Außerdem muss das Gericht, das das Urteil erlassen hat, das Rechtsmittel zugelassen haben. Dafür gibt es nur zwei Gründe: Der Fall ist entweder grundsätzlich von Bedeutung oder es geht um die Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung. Über die Revision urteilt nämlich der Bundegerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Seine Aufgabe besteht nicht nur darin, im Einzelfall Gerechtigkeit zu schaffen, sondern dafür zu sorgen, dass gleich gelagerte Fälle von den Gerichten einheitlich beurteilt werden.
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Im Strafverfahren gibt es ebenfalls die Berufung gegen die Urteile der Amtsgerichte in erster Instanz und die Revision zum BGH gegen die Urteile der Strafkammern der Langerichte - egal, ob diese erstmals oder als Berufungsgericht entschieden haben. Hier müssen sich die Beteiligten schneller entscheiden als im Zivilverfahren: Egal ob bei Berufung oder Revision, spätestens eine Woche nach der Verkündung des Urteils muss das Rechtsmittel beim Gericht eingelegt sein.
Keine Verschlechterung
Eine Revision muss im Strafprozess innerhalb weiterer vier Wochen begründet werden, was nur durch einen Anwalt geschehen kann. Angst, ein Strafurteil könnte in der Berufung oder Revision für ihn schlechter ausfallen als die angegriffene Entscheidung, muss der Angeklagte übrigens nicht haben - wenn er alleine Rechtsmittel eingelegt hat.
Doch es gibt Ausnahmen: Hat auch die Staatsanwaltschaft das Urteil angefochten, kann die Strafe härter ausfallen. Auch der, der Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt hat, muss damit rechnen, dass das Gericht eine höhere Strafe gegen ihn verhängt.
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Einen anderen Gang geht der Verwaltungsprozess: Wer sich dagegen wehren will, dass ihm der Führerschein entzogen oder eine Baugenehmigung versagt wird, muss innerhalb von vier Wochen Widerspruch einlegen. Über dieses Recht muss ihn die Behörde in ihrem Bescheid belehren. Vergisst sie das - was kaum einmal vorkommt - gilt eine Frist von einem Jahr. Erst wenn die nächsthöhere Behörde über den Widerspruch entschieden hat - sie darf den Bescheid übrigens auch zum Nachteil des Betroffenen ändern - ist der Weg zu den Verwaltungsgerichten frei. Auch hier gibt es den langen Gang durch die Instanzen: Die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof - für Baden-Württemberg sitzt er in Mannheim - und die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, das hier die gleiche Stellung einnimmt wie der BGH in Zivil und Strafsachen.
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