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FAZ
Donnerstag, 26. November 2001

HALLE, 25. November. Wegen Entziehung Minderjähriger ist am Freitag ein Vater vor dem Amtsgericht Halle/Westfalen zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten mit Bewährung und einer Geldauflage von 6000 Mark verurteilt worden. Der 36jährige Luft- und Raumfahrtingenieur Heiko Reinkober aus Gütersloh hatte sich im November des vergangenen Jahres, nach der Trennung von seiner Ehefrau, mit den beiden gemeinsamen, drei und fünf Jahre alten Töchtern ins Baltikum abgesetzt und dort fünf Monate zugebracht. Damit war der Tatbestand des § 235 StGB, Ziffer 2, erfüllt, wonach mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft wird, wer ein Kind einem Elternteil entzieht, um es in das Ausland zu verbringen. Das Gericht war mit seinem Urteil unter dem Antrag des Staatsanwalts, der ein Jahr Freiheitsstrafe mit Bewährung gefordert hatte, geblieben, da bei den Kindern keine feststellbaren Folgen der Entziehung aufgetreten seien.

Die von der Verteidigung angeregte Beschränkung auf eine Geldstrafe wurde wegen des "hohen kriminellen Gehalts" der Tat sowie einer erkennbaren Distanz des Angeklagten zu rechtsstaatlichen Möglichkeiten abgelehnt.

Heiko Reinkober will gegen das Urteil Berufung einlegen. Er habe für seine Kinder keine Möglichkeit gesehen, hierzulande ein "anständiges Leben" zu führen. Als Auslöser für seinen Fluchtplan gibt er das gewaltsame Herausholen der kleinen Töchter aus der ehelichen Wohnung in Achim bei Bremen durch die Polizei im August 2000 an. Die Ehefrau hatte gegen den zerbrechlich wirkenden Mann Anzeige wegen Körperverletzung erstattet.

Zwei Wochen zuvor waren die Streitigkeiten in der Ehe zu Handgreiflichkeiten eskaliert. Das Verfahren gegen Reinkober wurde zwei Monate später eingestellt, die Kinder lebten bei der Mutter in einem Frauenhaus. Der Kontakt zum Vater wurde ihnen verwehrt, dieser mit einem Scheidungs- und Sorgerechtsverfahren sowie hohen Unterhaltsforderungen konfrontiert.

Die Mutter erhielt das alleinige Sorgerecht, eine Umgangsregelung gestattete dem Vater Kontakt unter Aufsicht. Die demütigende Regelung wurde schließlich in unbetreuten Umgang umgewandelt. Allerdings lehnte das Familiengericht im Oktober einen bereits gebuchten Urlaub mit den Kindern ab.

Reinkober sah sich einer "Verschwörung" von Gerichten, Anwälten, Behörden und Polizei gegenüber, die seine Töchter "seelisch und geistig zerstörten", und traf Vorbereitungen zur Flucht. Er legte 40000 Mark bereit und entschied sich für die baltischen Staaten, weil sie dem Haager Übereinkommen über die Rückführung entführter Kinder nicht beigetreten sind und weil er hoffte, dort an gefälschte Ausweise für sich und die Kinder zu kommen, um dann in einem englischsprachigen Land zu leben.

Anfang November nutzte er ein Umgangswochenende und setzte sich mit den Kindern über Stockholm nach Tallinn ab. Aus Angst, in der estnischen Hauptstadt entdeckt zu werden, fuhr er in die Universitätsstadt Tartu.

Dort fand die Familie Unterkunft bei Studenten, danach in einer Pension. Die Kinder besuchten einen Kindergarten. Der Versuch, an falsche Papiere zu kommen, scheiterte; man prellte ihn um insgesamt 15000 Mark. Nach zwei Monaten ging Reinkober mit den Kindern nach Tallinn zurück, um dort Arbeit zu finden. Er mietete eine Wohnung und fand einen Kindergarten. Die Arbeitssuche scheiterte am abgelaufen Visum. Reinkober wich mit den Kindern nach Lettland aus. In Riga verschlechterte sich die Lage deutlich: Kein Kindergarten, hohe Hotel- und Lebenshaltungskosten, das Geld ging zur Neige.

Ein Besuch von Reinkobers Mutter brachte Interpol auf seine Spur. Ein letzter Versuch, mit den Kindern nach London zu fliehen, scheiterte auf dem Rigaer Flughafen. Am 6. April war die Odyssee zu Ende. Die Ehefrau holte die Kinder ab, Reinkober stellte sich am 30. April den deutschen Behörden.

Er steht vor einem Schuldenberg, seine berufliche Karriere hat einen Knick bekommen. Die Töchter hat er bis heute nicht wiedergesehen, die Aussichten auf betreuten Umgang oder gar auf das Sorgerecht sind schlechter denn je.

In einer ersten Stellungnahme zu Tat und Urteil wies der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) auf die in Deutschland herrschende Familienrechts- und Vollzugspraxis hin. Sie privilegiere auch nach der Reform des Kindschaftsrechts von 1998 die Mütter. Insbesondere sei die gemeinsame Sorge gegen den Willen der Mutter kaum durchzusetzen. Seit 1998 beobachte man eine Änderung der Verfahrensstrategie: Mütter verlegten sich weniger auf das Erlangen der alleinige Sorge, sondern zunehmend auf den Boykott des Umgangs der Kinder mit den Vätern. Die Mittel dazu reichten vom Weitumzug über Terminabsagen und Aufhetzen der Kinder bis zur Verweigerung der Übergabe an den Umgangsberechtigten. Rechtliche Schritte führten in aller Regel nicht zur Abhilfe, sondern zu unzumutbaren Verfahrensdauern (bis zu zehn Jahren), an deren Ende ablehnende oder nicht vollstreckbare Urteile stünden. Die Folge seien sich häufende Verzweiflungshandlungen der Betroffenen. Die hohe Zahl von fast 200000 jährlich neu hinzukommenden Scheidungs- und Trennungskindern verlange hier dringend Abhilfe.

Väterselbsthilfeverbände wiesen auf den "skandalösen" Umstand hin, daß die zwangsweise Wegnahme der Kinder von der umgangsverweigernden Mutter im "Interesse des Kindeswohls" durchweg unterbleibe, mit Kindern, die etwa über den geregelten Besuchszeitraum hinaus bei den Vätern blieben, hingegen nicht viel Federlesens gemacht werde. Hoffnungen setzen die Verbände auf die Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, der im Oktober dieses Jahres die Bundesrepublik Deutschland abermals zu fünfstelligen Schadensersatzzahlungen an drei, in ihren Menschrechten verletzte Väter verurteilte. Nach Informationen des ISUV sind derzeit etwa dreißig weitere Klagen in Straßburg anhängig.

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