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Südwestpresse
Samstag, 20. November 2004

SOZIALES / Familie - Beziehungsgestaltung und Erziehung

Die Kernzelle der Gesellschaft


Das Fundament jeder gelingenden Familienbeziehung ist die Freundschaft der Eltern / Die Bedeutung von Bewegung

VON KNUD EIKE BUCHMANN
Jede Familie, gerade auch die ganz junge, wird durch wenigstens drei Faktoren zusammengehalten: erstens das gefühlsmäßige Empfinden der Zusammengehörigkeit; zweitens die materielle Sicherheit, die sich unter anderem im gemeinsamen Wohnraum äußert und drittens der gemeinsamen Aufgabe oder Zukunft, die sich vor allem in der Kindererziehung dokumentiert.

Das Fundament jeder gelingenden Familienbeziehung stellt die "Freundschaft" der Eltern dar. Am Stängel der ersten Liebe reift das nicht enden wollende Wohlwollen mit den Blüten des Mögens und Kennens. Das klingt trivial, stellt aber eine Grundvoraussetzung dar. Die Partner müssen einander "wohlwollen", das heißt, jeder versucht, den anderen glücklich zu machen, nicht in erster Linie sich selber!

Über die anfängliche Liebe oder Verliebtheit hinaus ist bedeutsam, dass jeder versucht den anderen "mit dem Herzen zu verstehen". Dies ist durchaus ein intelligenter Prozess, der nie aufhört und immer wieder um die Frage kreist: "Was ist dieser andere Mensch für ein Mensch? Was tut ihm gut? Was könnte ihn verletzen? Und so weiter." Dabei ist wechselseitiger Respekt hilfreich, das bedeutet auch, dass jeder auch Rücksicht nimmt auf das Bild, das der andere von sich selbst hat, ihm also nicht die "Maske" vom Gesicht reißt!

Respekt setzt Höflichkeit und Vertrauen voraus, bedeutet Rücksicht, Achtung und sogar etwas Scheu, den anderen angeblich zu genau zu kennen. (Wann kennen wir uns denn selbst?!) Die wechselseitige Wertschätzung muss aber stets neu und immer wieder erworben werden; das bedeutet, dass sich die Partner wechselseitig attraktiv erhalten sollen. So wird Vertrauen und eine jedem Paar eigene Innigkeit erst mit der Zeit wachsen und wurzeln. Dass dabei Konflikte entstehen und bewältigt werden müssen, ist ohne Zweifel menschlich. Es darf und muss in einer guten Partnerschaft gestritten werden - aber: fair und nach vereinbarten Regeln!

Es scheint heute üblich zu sein, dass sich junge Familien unter anderem durch die verderblich-verlockenden Angebote der Geldinstitute in zu große "Start-Schulden" stürzen. Alles soll von Anfang an da sein, alles möchte man besitzen, auf nichts möchte man verzichten ... Zwei Phänomene treten dabei negativ in Erscheinung: Die Überschuldung macht in einer belastenden Art abhängig und verkleinert gerade den für junge Familien nötigen Spielraum; und zum anderen wird die "wachsende Freude" am Erschaffenen beeinträchtigt, das heißt, wenn bereits alles da ist, hat man kaum noch Freude an dem, was man noch benötigt. (Das ist ein wichtiges Kriterium für die gesunde Reifung von Beziehungen oder Organisationen!)

Die materielle Sicherung des Lebens darf nicht dazu führen, dass sich die Partner außerhalb der Arbeitszeit nur noch erschöpft und missmutig wechselseitig ihr Leid klagen, weil sie "fertig" sind! Gerade bei jungen, beruflich sehr aktiven Personen stellt man vermehrt fest, dass sie die Woche über gut "funktionieren" und unglaublich viel schaffen, dann aber am Wochenende oft "alle" sind und nur in der lauten Ablenkung Erholung zu finden glauben. Meist kommen sie dann montags noch erschöpfter in den Dienst als sie am Freitag gingen.

Die materielle Sicherung hat sehr viel mit Disziplin und Bescheidung zu tun, wenn eine junge Partnerschaft nicht zu früh zu stark belastet werden soll. Kommen dann Kinder hinzu und besteht hier kein klares und verwirklichbares Konzept, ist oft die völlige Überforderung (meist der Frau und Mutter) vorprogrammiert! Abgesehen davon, dass das Kind gewollt sein sollte, dass man sich als Eltern freut, Nachwuchs zu haben, und dass man nun als Familie bereit ist, seinen Lebensstil kindgerecht zu gestalten, gibt es aber noch zwei elementare "Bedingungen" für das Gelingen der neuen Lebensform: liebende Zuwendung und Konsequenz. Unter liebender Zuwendung muss verstanden werden, dass man das Kind weder als "Spielobjekt" nur dann mag, wenn man als Eltern gerade mal Lust und Zeit hat, sondern immer!

Bei Nacht und in Zeiten der Krankheit; ja sogar vor allem dann, wenn es am schwersten fällt: wenn das Kind unartig und bockig ist!

Zuwendung darf nicht verwechselt werden mit "Affenliebe" (dabei tun wir wohl den Affen Unrecht!), die dem Kind alles erlaubt und alles gibt, nur damit es still ist und die Eltern nicht stört. Junge Eltern wissen oft viel zu wenig über Kinder und über Kindererziehung, ja, oft sind sie ja selber noch gar nicht richtig erzogen! Bei allen modernistischen Wechseln der "Erziehung" von Kindern haben sich die oben genannten zwei Kriterien in allen Zeiten bewährt. Liebe für ein Kind wird immer berücksichtigen müssen, was für das Kind gut ist. Dazu sollte man wissen, "wohin" oder wozu man sein Kind erziehen will.

Kinder sind - von Geburt an - unglaublich lernfähig und lernwillig, sie müssen für ihre Entwicklung spielerisch gefördert und gefordert werden. Auch hier tun sich moderne Sünden auf: viel zu sehr werden sie auf Hören (Musik hören) und Sehen (PC, TV) trainiert - wobei ganz wichtige andere Bereiche wie Bewegung und Sozialtraining (unter anderem Streiten und gemeinsames Erleben und Tun) sträflich vernachlässigt werden. Die Folgen sind immer häufiger psychomotorische Störungen, Aufmerksamkeitsdefizite und Hyperaktivität.

Kinder und Jugendliche sind immer weniger in der Lage, ein angemessenes "Bewältigungsverhalten" zu praktizieren: Sie können Enttäuschungen nicht hinnehmen, können Misserfolgserlebnisse nicht verkraften, reagieren aggressiv bei Kritik und knicken oft schon bei den kleinsten Irritationen und Belastungen ein. Sie weichen dann vor Problemen aus, ziehen sich als etwas Ältere in ihre Cliquen zurück oder greifen zu Stimulanzien (Alkohol, Tabletten, Nikotin, Drogen ... ). In der Familie lernen Kinder mit Spannungen und Belastungen angemessen umzugehen - und neuere Forschungen belegen klar und deutlich, dass die "gefährlichste" Zeit für das Misslingen von Friedfertigkeit bei Zwei- und Dreijährigen liegt: wer also zu dem frühen Zeitpunkt nicht gelernt hat, sich wünschenswert bei Forderungen, Streit und Zuwendung zu behaupten, wird mit ganz großer Wahrscheinlichkeit später größte Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen erleben oder provozieren! So kommt der Familie, der "Kern-Zelle" unserer Gesellschaft, höchste Bedeutung zu - aber viele junge Väter kümmern sich mehr um Beruf, Hobby und Auto als um ihre Kinder; und vielen jungen Müttern soll das Kind in erster Linie "Spielzeug" und Tröster sein!

Die psychischen, sozialen und materiellen Überlastungen gerade in jungen Familien stellen eine viel zu ernste Gefahr für die zukünftige Gesellschaft dar, als dass man sie verniedlichen dürfte. Die Pflege und Gestaltung einer Partnerschaft und die Erziehung von Kindern erfordert Zeit, gemeinsame Erlebnisse, wechselseitige Wertschätzung und Freude. Wenn wir keine kompetenten Eltern haben, werden wir keinen kompetenten Nachwuchs haben - so einfach ist das!

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