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Südwestpresse
Donnerstag, 17. Februar 2005
GESELLSCHAFT / Wie Eltern den Nachwuchs nach der Scheidung für ihre eigenen Interessen missbrauchen
Die Opfer der Rosenkriege: Kinder verlieren immer
Allzu oft werden Kinder nach Scheidungen als Druckmittel benutzt - als Ware, als wirksame Waffe gegen den Ex-Partner. Mit dem im Streit um Unterhalt und Umgangsrecht so gern zitierten "Kindeswohl" ist es oft nicht weit her: Im Scheidungskampf verlieren die Kinder immer.
GUDRUN SOKOL
BERLIN Jahr für Jahr müssen in Deutschland rund 200 000 Kinder damit fertig werden, dass ihre Eltern sich trennen. Und trotz der hohen Scheidungsrate bleibt die Trennung der Eltern für jedes dieser Kinder eine einschneidende Erfahrung. Und mehr noch: Durch die "Normalisierung der Scheidung" in der Gesellschaft könne man den Eindruck bekommen, dass sie immer öfter im Interesse der Eltern erfolgt, als in dem der Kinder, sagt der Kinderpsychiater Max H. Friedrich.
"Das Kindeswohl, obzwar vielfach beteuert, wird von vielen Eltern bedenkenlos für die Durchsetzung der eigenen Ziele geopfert", hat der Wiener Universitätsprofessor erfahren. Kinder - so scheine es - zahlten einen noch zu wenig erkannten Preis für die Scheidungskriege der Erwachsenen.
Für Kinder ist die Trennung oft dramatischer als für die Erwachsenen selbst, denn sie stehen dem Geschehen ohnmächtig gegenüber. Häufig verlieren sie ein Elternteil aus den Augen, oft ändern sich die sozialen Umstände, nicht selten ist für Kinder die Scheidung mit einem Umzug verbunden. "Sie brauchen besonderen Schutz und Liebe - eine Abhängigkeit, die getrennte Elternteile häufig mit 'Verfügbarkeit' verwechseln", weiß Kinderpsychiater Friedrich. Und: "Je jünger sie sind, desto leichter werden Kinder instrumentalisiert." Friedrichs Kritikpunkte im Einzelnen:
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Scheidungskinder werden als Faustpfand bei Erpressungsversuchen verwendet. Wissend, wie sehr der andere an dem Kind hängt, werden zum Beispiel Treffen nur zugelassen, wenn der andere dafür bestimmte Forderungen erfüllt. Was sich das Kind selbst wünscht, spielt keine Rolle.
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Häufig wird der Nachwuchs regelrecht umworben, um den anderen Elternteil zu übertrumpfen, wobei laut dem Experten Friedrich die Grenze zur Bestechung spielend überschritten wird. Das sei in pädagogischer Hinsicht eine Katastrophe: "Indem sich der Erwachsene Zuneigung zu kaufen ersucht, verführt es das Kind zu einer Konsumhaltung, die Gefühle zur Handelsware macht."
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Ausgenutzt und in schwere Loyalitätskonflikte gedrängt fühlten sich Scheidungskinder, die als Spione missbraucht werden. Aus Neugier, Wut und Verachtung des oder der Ex - manchmal auch aus finanziellen Motiven - werden Scheidungskinder in die Rolle von Informanten gedrängt, womit sie häufig überfordert sind und stets fürchten müssen, ein Elternteil zu verraten.
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Das Kind wird zum Prüfstein für die eigenen pädagogischen Fähigkeiten. Um dem getrennten Partner zu beweisen, das man selbst der optimale Erzieher ist, werden Kinder zu Leistungen gedrängt, die sie überfordern. Häufig werden eigene Sehnsüchte in die Kinder projiziert; sie werden zum Abbild eigener unerwünschter Wünsche.
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Getrennte Partner neigen dazu, Belastungen und Beschwerden mit dem Kind als Partner-Ersatz zu teilen. Vor allem in Mutter-Tochter-Beziehungen wird dem Kind oft die Rolle der "besten Freundin" zugemutet. Kinder sind als Tröster und Stütze für Erwachsene überfordert. Sie brauchen kompetente und fürsorgliche Mütter und Väter anstatt anstrengende väterliche Freunde und mütterliche Freundinnen.
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Max H. Friedrich, Die Opfer der Rosenkriege, Verlag Karl Ueberreuter, Wien, 239 Seiten, 19,95 Euro
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Heide-Ulricke Wendt, Wir Scheidungskinder, Schwarzkopf&Schwarzkopf, Berlin, 240 Seiten, 12,90 Euro
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