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Südwestpresse
Montag, 11. April 2005

GESELLSCHAFT / Klagen über Finanznot

Für Frauenhäuser wird es eng

Meist dauert es lange, bis eine geschlagene Frau den Mut aufbringt, in ein Frauenhaus zu flüchten. Umso schlimmer, wenn dort kein Platz für sie ist. Manche der Einrichtungen kommen finanziell kaum noch über die Runden und müssen Hilfesuchende abweisen.

STUTTGART Misshandelte Frauen und ihre Kinder kommen in Baden-Württemberg wegen der schwierigen finanziellen Lage der Frauenhäuser nach Meinung von Experten zunehmend in Bedrängnis. Hauptgründe seien das seit gut drei Monaten geltende Reformgesetz Hartz IV und die Finanzknappheit des Landes und der Kommunen.

Muss eine Frau wegen häuslicher Gewalt in eines der 43 Frauenhäuser in Baden-Württemberg fliehen, beginnt häufig ein Kampf ums Geld, berichtet Ute Walker vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in Stuttgart. Einige der Schutzhäuser seien mittelfristig in ihrer Existenz bedroht.

Ein Grund für die Misere ist der Streit zwischen kommunalen Trägern und Frauenhäusern sowie den Agenturen für Arbeit. Nach Walkers Worten gehen die Auffassungen darüber auseinander, ob eine Frau mit ihrer Flucht ins Frauenhaus gleichzeitig ihren "gewöhnlichen" Aufenthaltsort wechselt. Von dieser Definition aber hängt ab, woher sie in ihrer akuten Notlage Geld für Unterkunft und Essen für sich und ihre Kinder erhält: von den Behörden ihres bisherigen Wohnortes oder von den Behörden, die für ihren neuen Aufenthaltsort im Frauenhaus zuständig sind.

Immerhin ist dieses Problem bereits erkannt: Das Landessozialministerium will mit Hilfe einer Bundesratsinitiative erreichen, dass die Kostenerstattung im neuen Sozialgesetzbuch (SGB) II geregelt wird. Ziel ist es, dass der kommunale Träger im Herkunftsort der Frau für sie zahlt. Ob sich das Land mit diesem Vorschlag durchsetzt, ist allerdings nicht absehbar. Auch für die gegenwärtige Praxis im Südwesten ist die Initiative nicht bindend, die kommunalen Spitzenverbände haben diese Regelung nur empfohlen.

Flucht aus eigener Stadt

"Es brennt", beschreibt Walker die Situation in so manchem Frauenhaus. Im vergangenen Jahr wurden fast die Hälfte der 4021 betroffenen Frauen und Kinder in einem Frauenhaus außerhalb ihrer Heimatstadt oder ihres Heimatkreises aufgenommen. "Immer mehr Frauen, die vor Gewalt fliehen, droht Verfolgung durch den Familienclan", sagt Walker. Daher könnten die Frauen oft nicht ins nächste Schutzhaus, sondern müssten über Stadt-, Kreis-, manchmal sogar Landesgrenzen fliehen. "Diese Frauen fürchten um ihr Leben."

Ohne allergrößte Not lehne kein Frauenhaus die Aufnahme einer Hilfesuchenden ab. Da jedoch häufig die Kosten hin- und hergeschoben würden, gerieten immer mehr der Einrichtungen in finanzielle Bedrängnis. Zum Beispiel das Frauenhaus Karlsruhe. Mitarbeiterin Maggi Reb berichtet, sie könne seit Januar keine Rechnungen mehr schreiben, weil die Stadt Karlsruhe nun keinen festen Sockelbetrag mehr bezahle, sondern nach Tagessätzen abrechne, sagt Reb. Die stünden aber noch nicht fest. Drei Mitarbeiterinnen kümmern sich um die Opfer von Gewalt, die meistens mit Kindern kommen.

Die unterschiedliche Finanzierung von Frauenhäusern im Land ist nach einer Analyse des Sozialministeriums ein weiteres Problem: Manche haben ein festes Budget im Haushalt einer Stadt oder eines Kreises. Andere werden über einen Tagessatz finanziert. Wieder andere errechnen die Kosten anteilig über einzelne Leistungselemente, in denen zwischen Wohnen, Lebensunterhalt und persönlicher Beratung unterschieden wird. Die Zuschüsse des Landes wurden massiv gekürzt.

Die Frauenhäuser treibt die Sorge um, dass Städte und Gemeinden aus der institutionellen Förderung aussteigen. "Die kommunalen Spitzenverbände haben dazu bereits aufgerufen", sagt Walker. Dann aber müssten die Frauen für Unterkunft und Betreuung zahlen. Dazu aber sind sie in der Praxis meist nicht in der Lage.
isw

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