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Badische Neueste Nachrichten
Freitag, 08. November 2002

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Fachtagung zum Thema "Das Kind im familiengerichtlichen Verfahren"

"Trennungen durch die Augen der Kleinen sehen"

Experten diskutieren über beste Lösung erdachter Fälle / Kindeswille muss stets beachtet werden

Von unserem Redaktionsmitglied Heike Flottow

Rastatt. Vera K. ist 10 Jahre alt. Vor zwei Jahren haben sich ihre Eltern getrennt, ihre Mutter ist in eine andere Stadt gezogen. Bis auf wenige Anrufe zu den üblichen Anlässen hatte Vera keinen Kontakt zu ihrer Mutter. Sie litt unter der Situation und machte eine Therapie. Versuche, Umgangskontakte zu verabreden, scheiterten an der Mutter.

Dann die Wende: An Veras zehntem Geburtstag teilt ihr die Mutter mit, dass sie einen Partner gefunden habe und sie in den Ferien mit auf eine gemeinsame Urlaubsreise nehmen möchte. Vera reagiert verunsichert. Der Vater ist erstaunt und erklärt der Mutter, dass Vera nicht mit in den Urlaub gehen werde. Die Mutter geht zum Rechtsanwalt, Vera habe ein Recht auf den Umgang mit der Mutter. Der Vater will beim Jugendamt klären lassen, welche Folgen der Urlaub für Vera haben könnte. Die Mutter stellt beim Familiengericht einen Antrag auf Regelung des Umgangs mit ihrer Tochter.

Soweit einer von zwei angenommenen Fällen, die die Grundlage für eine Fachtagung des Arbeitskreises "Kinder haben Rechte" zum Thema "Mit den Augen des Kindes gesehen - Das Kind im Familiengerichtlichen Verfahren" bildeten. Grund für die Tagung: Immer mehr Mädchen und Jungen sind bei Trennung oder Streitigkeiten der Eltern mit dem Familiengericht konfrontiert. "Wir wünchen uns, dass sich Berufsgruppen austauschen, die an einem solchen Verfahren beteiligt sind und stets den Willen der Kinder berücksichtigen", so Arbeitskreissprecherin Uschi Böss-Walter.

Der Reihe nach beleuchteten die Fachleute den Fall "Vera", erläuterten, wie sie handeln würden. Alle waren sich in einem Punkt einig: "Wir müssen durch die Augen des Kindes sehen" und "ein Verfahren muss vermieden werden". Doch auch sie wussten nicht zu sagen wie das funktionieren könne. "Letztendlich hängt es einfach davon ab, wie die Eltern mitarbeiten", sagte die Vermittlerin Elvira Keller. Andere Experten machten es davon abhängig, wie die Menschen, die zu Rate gezogen werden, ihre Arbeit verstehen. "Familienanwälte werden sich die Geschichte anhören und fragen, was will das Kind und dann auf den Mandanten entsprechend einwirken", war sich die Anwältin Claudia Marquardt sicher. Der Rechtswissenschaftler Ludwig Salgo verwies aber auch auf andere Vertreter dieses Berufes: "Die lassen einen scharfen Schriftsatz aufstellen und damit geht der Fall in eine andere Richtung."

Richterin Sabine Heinke brachte einen weiteren Punkt in die Diskussion: Die Kassen der Justiz seien leer, was einer Bankrotterklärung der Gesellschaft gleichkäme. "Entsprechende Fachleute können nicht bezahlt werden, wenn ich in einem Scheidungsfall für ein Kind eine Verfahrensbegleitung bestelle, schaut mir der Rechnungshof über die Schulter." Aber: Durch das Wegbrechen der sozialen Bereiche, würden solche Verfahren immer mehr auf die gerichtliche Ebene verschoben. Irmtraud Christmann vom Jugendministerium Rheinland-Pfalz sah die klassische Lösung beim Jugendamt. "Das muss deren Aufgabe sein, hier zu vermitteln und das Beste für das Kind zu suchen."

In Veras Fall hat das nicht geklappt. Allerdings wäre sie auf eine Richterin gestoßen, die ihr Wohl im Auge gehabt hätte: "Ich hätte sie nicht in den Urlaub geschickt und erst nach weiteren Gesprächen das Besuchsrecht entschieden", so Sabine Heinke.

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