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Südwest Presse
Donnerstag, 30. Januar 2003

KINDSTOD / Richter: Schuld nicht nachweisbar

Mutter überraschend freigesprochen


Die wegen Kindstötung angeklagte Mutter ist freigesprochen worden. Sie hatte vor drei Jahren ein Baby auf der Toilette geboren und es in der Schüssel liegen lassen.

RAIMUND WEIBLE
Tübingen Einen überraschenden Ausgang nahm gestern vor dem Tübinger Landgericht das Verfahren gegen eine zweifache Mutter, die wegen Kindstötung angeklagt war. Die Schwurgerichtskammer sprach die 26-Jährige aus dem Kreis Reutlingen frei. Vorsitzender Herbert Escher erklärte, eine Schuld der Frau am Tod des Neugeborenen sei nicht nachgewiesen.

Vor Gericht hatte die Angeklagte ausgesagt, sie habe nichts von ihrer Schwangerschaft bemerkt. Die Kammer glaubte ihr. Das sei keine billige Ausrede gewesen, um die Richter hinters Licht zu führen, befand Escher. Zwar spreche die Lebenserfahrung gegen eine solche Behauptung. Doch die Kammer ließ sich von zwei Gutachtern und zwei als Zeugen gehörten Frauenärzten darüber aufklären, dass bei etwa 3 von 1000 Geburten den Müttern die Schwangerschaft verborgen bliebe. "Ohne den Rat der Ärzte wären wir auf verlorenem Posten gestanden", sagte der Richter.

Die korpulente Frau hatte am 20. Februar 2000 um vier Uhr zuhause einen Blasensprung. Ihre Hilferufe blieben ungehört. Sie glaubte an eine bevorstehende Fehlgeburt, schleppte sich zur Toilette und gebar einen voll entwickelten Buben in die Toilettenschüssel. Da er keine Lebenszeichen von sich gab, nahm sie an, er sei tot und ließ ihn liegen. Tatsächlich lebte er, zeigte aber wegen der um den Hals gewickelten Nabelschnur keine Regungen. Das Neugeborene erstickte.

Escher sagte, die Frau habe das Baby in der irrigen Annahme liegen lassen, es sei tot. Deshalb sei ihr kein Vorsatz zu unterstellen. Möglicherweise hätte sie den Tod des Kindes verhindern können, wenn sie es herausgehoben hätte. Ob der herbeigerufene Arzt das Neugeborene dann noch hätte retten können, "lässt sich nicht mit Sicherheit nachweisen", erklärte der Richter. Deshalb ließ die Kammer den Vorwurf der fahrlässigen Tötung fallen. Von solch einer Tat ging Staatsanwalt Christoph Kalkschmid in seinem Plädoyer aus. Er sagte, die Frau hätte den Fruchtwasserabgang als Anzeichen der bevorstehenden Geburt deuten müssen. Hätte sie Hilfe gerufen, wäre ihr und dem Baby geholfen worden. Der Staatsanwalt beantragte wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen ein Jahr Haft zur Bewährung. Der Ankläger prüft nun, ob er Berufung einlegt.

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