Presseschau
Auf dieser Seite finden Sie "vereinsfremde" Presseartikel.
Artikel rund um unseren Verein finden Sie hier.


Südwest Presse
Dienstag, 11. Februar 2003

PARTNERSCHAFT Familienmediation ermöglicht Trennung mit gemeinsam festgelegten Pflichten

Den Scheidungskrieg entschärfen

Forderung an die Betroffenen: Fantasie und Mut zu unkonventionellen Lösungen

Scheiden tut weh. Dass eine Trennung nicht zwangsläufig in ewigen Streit und Hass enden muss, beweisen immer mehr Paare. Sie entscheiden sich für eine Familienmediation und suchen vor dem Gang zum Scheidungsrichter Konfliktlösungen mit Hilfe eines neutralen Dritten.

DANIELA EGETEMAYER

Wo die Emotionen hoch kochen, wird Vernunft klein geschrieben. Das gilt, wenn die Liebe anfängt, aber auch, wenn sie endet. Den sprichwörtlichen Kampf um die letzte Kaffeetasse tragen die Kontrahenten in den meisten Fällen in den Gerichtssälen aus - unversöhnlich, verhärtet. Blind für die Bedürfnisse desjenigen, den sie einmal geliebt haben. Blind auch für die Bedürfnisse von Kindern, die häufig als Spielball im Machtkampf eingesetzt werden. Das ist die tägliche Realität vor dem Familienrichter.

Doch es geht auch anders. Wie eine glimpfliche Scheidung aussehen kann, beweisen Jahr für Jahr mehr Paare. Diese treffen sich nicht erst vor dem Scheidungsrichter. Sie haben einen sanften Weg eingeschlagen: die Familienmediation. Sie suchen Konfliktlösung mit Hilfe eines neutralen Dritten.

Zumeist sind es Rechtsanwälte oder Psychologen, die die üblichen Kampfrituale aufbrechen. Wo wortloses Schweigen herrscht, hasserfüllte Parolen den Umgang vergiften, sucht der Mediator einen Weg der Mitte. Fragt nach den wirklichen Bedürfnissen des Paares hinter der Fassade des Streits.

In der Trennungsphase sei das "eine große Erleichterung" gewesen, erinnert sich Martin P. (alle Namen geändert). Der 50-Jährige und seine Frau haben sich vor sieben Jahren scheiden lassen. Zuvor waren sie bei einer Mediatorin. Elke Besendorfer aus Ansbach war eine der ersten in Deutschland, die sich mit dieser in Amerika entwickelten Methode der Konfliktlösung befasste.

Als Rechtsanwältin kannte sie den Scheidungskrieg vor Gericht, die endlosen Auseinandersetzungen um Umgangsrecht und Unterhalt, um Hausrat und Vermögen. Und die finanziellen Folgen, die mit dem Rechtsstreit verbunden sind.

Rund ein Viertel der Mandanten Elke Besendorfers entscheiden sich für die Mediation. Ein nicht ganz einfacher Weg, erfordert er doch von den Medianten viel Fantasie und den Mut zu unkonventionellen Lösungen. An die Stelle des Richterspruchs treten Vereinbarungen, die das Paar miteinander ausgehandelt hat. Die ihrem persönlichen Fall gerecht werden: "Die Medianten sind ungeheuer kreativ", ist die Erfahrung der Nürnberger Rechtsanwältin Renate Nordhardt.

Gemeinsame "Kinderkasse"

So auch die früheren Eheleute Beate und Thomas A. Seit fünf Jahren geschieden, kümmern sie sich beide sehr intensiv um ihre gemeinsame Tochter Kristin. Zwar lebt die 14-Jährige bei der Mutter, verbringt aber auch viel Zeit beim Vater. Klar, dass Thomas A. irgendwann nicht mehr den gesamten Unterhalt an seine Ex-Frau abführen wollte. Schließlich zahlt er ebenfalls für Kristin: Essen, Eintrittskarten, Kleidung. Es kam zum Streit.

Bei Mediatorin Renate Nordhardt entwickelte das Elternpaar eine unkonventionelle Idee: eine gemeinsame "Kinderkasse" für Kristin. Beide Elternteile zahlen ein, was sie im Monat entbehren können und finanzieren Kristins Ausgaben aus diesem Topf. Wesentlich für die Vermittlerin: Es waren die Medianten selbst, die im Gespräch den Plan entwickelt hatten. Renate Nordhardt hatte nur gezielt erfragt, was den Eltern wirklich wichtig war.

Oder die Eheleute Roland und Berta R. Nach 27-jähriger Ehe entschloss man sich zur Scheidung. Doch wer sollte aus dem Haus ausziehen, das überdies noch Roland R.s altem pflegebedürftigen Onkel gehörte? Keiner von beiden wollte sich einem Richterspruch beugen. Die Lösung: Berta und Roland R. wollten dem Onkel die Entscheidung überlassen. Und diese sollte dann wirklich bindend sein, ohne Groll auf den alten Herrn.

Das Erlebnis, sein Schicksal selbst regeln zu können, werde häufig als sehr befreiend erlebt. "Man nimmt die Sprengkraft aus dem Scheidungsverfahren", resümiert Familienrechtler Dieter Schirm.

Und gemeinsam erarbeitete Ergebnisse verpflichten innerlich oft mehr, als es ein Richterspruch je tun kann. So stellt erfahrungsgemäß ein Drittel aller zur Zahlung von Unterhalt verurteilten Väter und Mütter irgendwann im Laufe der Jahre seine Geldzahlungen ein, ein weiteres Drittel zahlt nur unregelmäßig. Wer in gemeinsamen Sitzungen beim Mediator die Bedürfnisse des ehemaligen Partners kennen gelernt und zusammen mit ihm einen Finanzplan aufgestellt hat, wird sich dieser Verpflichtung seltener entziehen.

Ähnlich verhält es sich mit dem Umgangsrecht. 14-tägig, heißt es im Gesetz. Ein müder Kompromiss, der den Lebensumständen von Eltern und Kindern selten gerecht wird. Auch hier ist die gemeinsame Suche nach individuellen Vereinbarungen meist sinnvoller.

Kampfrituale aufbrechen

Mit einer besonderen Fragestrategie steuern die Mediatoren das Gespräch. Versuchen zu klären, welche Bedürfnisse wirklich hinter den Kampfritualen des Paares stecken. Wie lassen sich die Blockaden lösen, dem oft jahrzehntelang einstudierten Ehekrieg konstruktive Ergebnisse entlocken? Kein einfaches Unterfangen. Elke Besendorfer weiß: Wo Gefühle verletzt sind, bedarf es großen Einfühlungsvermögens. Die ausgefeilten Fragetechniken der Mediation unterstützen das Ziel. Und dieses Ziel heißt, das trennungswillige Paar so auseinandergehen zu lassen, dass es sich auch hinterher noch in die Augen blicken kann.

Am Ende der mehrstündigen Mediation stehen selbstbestimmte Lösungen, die sehr wohl verbindlichen Charakter haben. Schlusspunkt ist eine vertragliche, oft notariell abgesegnete Vereinbarung.

Immer Häufuger greifen Rechtsanwälte, Psychologen und Soziologen die Mediation auf, die sich im Prinzip auf alle Arten von Streitschlichtung anwenden lässt. Innerbetriebliche Konflikte lassen sich ebenso angehen wie Konflikte in der Schule. Gelegentlich sind es aber auch Richter, die Mediatoren einschalten, um heillos zerstrittene Widersacher zum Einlenken zu bewegen. Für alle Beteiligten ein Gewinn - ausgenommen für die Gerichtskasse.

INFO
Auskünfte bei der Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation e.V., Berlin, Telefon 030/236 28 266. Internet: www.bafm-mediation.de. Oder: www.familien-mediation.de.

In unserem Forum können Sie Ihre Meinung zu diesem Artikel äußern.
Verweisen Sie dabei bitte auf http://vaetersorgen.de/FremdePresse/Artikel89.html

Zum Seitenanfang
Hier erreichen Sie den Webmaster